Das macht das Phänomen Taylor Swift aus (2024)

Taylor Swift ist für viele der Inbegriff moderner Popkultur. Mit ihrer Musik, vor allem aber mit ihrer Persönlichkeit und ihrer besonderen Wirkung auf ihre Fans hebt sich die einstige Countrysängerin deutlich von anderen Popstars ab. Aber wieso? Was hat Taylor Swift, was andere nicht haben?

Eine Analyse

vonDesireé Oostland

Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Desireé Oostland sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Am vergangenen Sonntag stellte Taylor Swift einen neuen Rekord auf: Zum vierten Mal wurde die US-Sängerin mit einem Grammy in der Kategorie "Album des Jahres" ausgezeichnet. Damit zog sie an Musiklegenden wie Frank Sinatra und Stevie Wonder vorbei, die den Grammy für das beste Album jeweils drei Mal gewonnen hatten.

Wenige Stunden später kündigte sie ihr neues Album mit einem schwarz-weißen Teaser auf Instagram an. "All’s fair in love and poetry... New album THE TORTURED POETS DEPARTMENT. Out April 19", schrieb sie dazu. Nach knapp elf Stunden hatte der Post über zwölf Millionen Likes.

Nicht nur in der Musikwelt, auch an anderer Stelle schlägt Swift Wellen: Ihre Beziehung zu NFL-Star Travis Kelce und ihre Besuche seiner Spiele steigerten den Marktwert der NFL und seiner Mannschaft, der Kansas City Chiefs, um geschätzte 331,5 Millionen Dollar.

Swift füllt die größten Stadien dieser Welt. Sie hat eine unvergleichliche Fanbase, die sogenannten "Swifties", die sich ihrem Liebling nahe fühlen, die sie geradezu vergöttern.

Was macht das Phänomen Taylor Swift aus? Wie schafft sie es, nahbar zu wirken und gleichzeitig eine der bedeutendsten Popsängerinnen der Gegenwart zu sein? Wir haben darüber mit Michael Custodis gesprochen, Professor für Musikwissenschaft an der Universität Münster.

Elvis, ABBA und Taylor Swift

Um die Begeisterung für Taylor Swift zu verstehen, hilft ein Blick in die Geschichte der Popmusik. "Wenn man Pop historisch betrachtet, kann man diese Massenbegeisterung, die man heute bei Taylor Swift sieht, sehr gut bis zu Elvis Presley zurückführen", sagt Michael Custodis. "Er war der erste Popstar in solchen Dimensionen, gefolgt von den Beatles."

An diesen Maßstäben orientiere sich die heutige Fankultur, etwa auch an ABBA oder Nirvana, erläutert der Musikwissenschaftler. "Für die Fans wird die Musik zu einem unverzichtbaren Bestandteil ihres Lebens und ihre Idole werden quasi zu realen Bezugspersonen. Fans erleben die Musik als eine umfassende Lebenskultur und eine hohe Emotionalität ist dabei unverzichtbar."

Ihrer Rolle als Bezugsperson ist sich Swift bewusst. Dabei vereint sie Emotionalität und Nahbarkeit, erzählt in ihren Songs von ihrer Gefühlswelt und lässt dabei keine Zweifel an der Wahrhaftigkeit ihrer Songtexte aufkommen. "Taylor Swift vereint noch viele weitere Aspekte der Popkultur in ihrer Person, etwa als Meinungsmacherin. Diese Überlagerung der Themen ist für Fans faszinierend", erklärt Custodis.

Das alleine erklärt die ganze Aufregung um Swift natürlich nicht: "Worüber meist weniger gesprochen wird, wenn es um Taylor Swift geht, ist ihr musikalisches Talent: als vielseitige Songwriterin immer wieder den musikalischen Nerv der Zeit zu treffen." Ohne dieses Gespür für Trends würde Swift kaum solche Begeisterung hervorrufen, glaubt Custodis. "Sie ist eine grundsolide Musikerin, die sich mit einem klugen Kreativteam umgibt, ohne dass sie dabei die Kontrolle aufgibt."

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Taylor Swift hat ein herausragendes Team

Gerade ihr erstklassiges Team hebe Taylor Swift von anderen Künstlerinnen ab, meint der Musikwissenschaftler. "Die Musik- und Medienindustrie ist eine sehr komplizierte Branche, da benötigt man ein sehr gutes Team – nicht nur kreativ und logistisch, sondern auch juristisch, technisch und publizistisch", erklärt er. "Wenn man so riesige Tourneen spielt, wie sie es tut, einschließlich filmischer Dokumentationen und Live-Mitschnitte, dann muss man noch mehr Vollprofis um sich herum haben."

Taylor Swift hat das Motto "Man ist nur so gut wie sein Team" offenkundig verinnerlicht. Die Pop-Ikone hat nicht nur musikalisches Talent: "Sie scheint eine kluge Teamplayerin und offenbar auch eine gute Chefin zu sein, die weiß, wann sie sich zurückhalten sollte, um sich auf ihre Rollen als Sängerin, Tänzerin und öffentliche Person zu konzentrieren."

Die Sängerin habe Menschen um sich herum, die es ihr ermöglichten, dass sie authentisch repräsentieren kann, wer sie wirklich ist, argumentiert Custodis. Und das wisse sie zu schätzen. "Bei ihren Auftritten kommuniziert sie immer im Plural und zeigt: 'Wir auf der Bühne und Ihr im Publikum sind ein Team'."

Swifts Gitarrist spricht die Elterngeneration an

Zu ihrem langjährigen Gitarristen Paul Sidoti hat Swift ein besonderes Verhältnis. Im sonst perfekt inszenierten Bühnendesign, in dem akribisch nahezu alles aufeinander abgestimmt ist, setzt er mit seiner Gitarre eigene Akzente. "Er spielt Modelle des legendären Eddie Van Halen, ob es nun farblich passt oder nicht", sagt der Musikwissenschaftler. Und das spricht auch ältere Fans an: "Die Elterngeneration der heutigen Swifties, die mit dem US-amerikanischen Hardrock der 1980er-Jahre groß wurde, kennt natürlich die Hits von Van Halen und die Gitarrenikone Eddie Van Halen, mindestens die Hymne 'Jump'."

Zudem sei Sidoti dem langjährigen Gitarristen von Bon Jovi, Richie Sambora, wie aus dem Gesicht geschnitten, einschließlich seiner typischen Wuschelhaare. "An solchen Details ist zu erkennen, wie geschickt das Gesamtdesign und das Team bei Taylor Swift über Generationengrenzen hinweg kommunizieren, so wie ihr musikalisches Spektrum im Country-Sound begann und heute weite Teile des aktuellen Pop abdeckt", so Custodis.

Bei ihren Bühnenshows ist die Harmonie innerhalb des Teams zu spüren: Als sie bei einem ihrer letzten großen Auftritte in Buenos Aires spontan ihren Song "Karma" ihrem im Publikum tanzenden Freund Travis Kelce widmete ("Karma is the guy on the Chiefs, coming straight home to me"), flippte nicht nur das Publikum aus. Auch Swifts Tänzer zeigten sich gerührt und strahlten die Sängerin an.

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Starker Wille, sich als Künstlerin auszudrücken

Swift selbst zeigt sich in der Öffentlichkeit charismatisch, empathisch – und immer selbstbewusst. Sie klatscht, wenn andere Künstlerinnen Preise entgegennehmen, oder tanzt ausgelassen zu den Songs ihrer Kolleginnen.

Das begeistert die Fans ebenso wie die Musikindustrie. Swift weiß, was sie kann, und wie sehr sie sich mit ihrem musikalischen Ausdruck von anderen abhebt: "Sie demonstriert die Deutungshoheit über ihre eigene Musik und den sehr starken Willen, sich als Künstlerin auszudrücken."

Das macht sie über Ländergrenzen hinweg zu einem gefeierten Star. Sie trifft über viele Jahre schon den Ton der Zeit, sie ist musikalisch Mainstream-kompatibel, was nicht abwertend gemeint ist. Denn es gelingt ihr, ganz unterschiedliche Fangruppen in allen Ländern anzusprechen. Ihr eigener Sound ist immer erkennbar, sie macht immer deutlich: "Das hier ist meine Musik", sagt Custodis.

Vor jahrelangen Rechtsstreitereien über die Rechte an ihren Alben, unter anderem mit Musikmanager Scooter Braun, schreckt die Sängerin ebenfalls nicht zurück: "Sie positioniert sich, sie legt sich mit der Musikindustrie, mit Medienstars oder der Politik an, wenn es sein muss. Sie fragt: Wer hat hier eigentlich die Kreativhoheit? Das haben auch andere Größen wie Prince oder George Michael getan." Dass sie für sich und ihre Arbeit selbst einsteht, hinterlässt Eindruck – auch bei ihren Fans.

Taylor Swift: Professionalität, kombiniert mit Ironie

Sieht man Taylor Swift in der Öffentlichkeit, sieht man oft ein verspieltes Lächeln, nahezu schüchtern, aber mit starkem Ausdruck in den Augen – egal, welche Schlagzeilen gerade über sie kursieren. Sie verfügt über eine gekonnt ironische Art, die in der Popkultur bedeutungsvoll ist: "Pop war immer schon ironisch, und dies setzt Taylor Swift gezielt ein. Andere Künstler:innen haben sich an Ironie und vermeintlicher Schlagfertigkeit auf Social Media schon verhoben, was ihr und ihrem Team sehr bewusst ist", sagt Custodis.

Taylor Swift: Ein Vorbild für die junge Generation

Dabei zeigt Swift ihren meist sehr jungen Fans, wie man Kritik humorvoll begegnet, ohne sich erschüttern zu lassen: "Sie verteidigt sich nicht nur gegen bestimmte Angriffe, sie nimmt sie im Zweifelsfall sogar auf und dreht sie ironisch. Das ist in der Popkultur die hohe Kunst", findet Custodis.

"Viele junge Menschen, gerade Teenager, befinden sich in einer verletzlichen Zeit und sehen Taylor Swift als Vorbild. Sie verstehen durch Swifts Umgang mit Negativität, Cybermobbing, Bodyshaming und anderen sehr belastenden Themen, wie man damit zurechtkommen kann und wie die Gemeinschaft der Swifties dabei zusammenhält. Für viele wirkt sie dort besonders nahbar, wie eine große Schwester".

Mittlerweile kann man Uni-Kurse zu Taylor Swifts Songtexten belegen – in Harvard, an der New York University, an der Arizona State University, in Stanford oder an der University of Texas in Austin.

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Was unterscheidet Taylor Swift von anderen Musikerinnen?

Auf der Bühne trägt Swift gerne ihre Glitzeroutfits, dennoch inszeniert sie sich anders als Popmusikerinnen wie Britney Spears oder Shakira, "die ihre Körperlichkeit mit Kostümen und insbesondere beim Tanzen viel stärker einsetzten". Zwar kann auch Taylor Swift auf diese Mittel zurückgreifen – und tut das auch –, aber es ist bei ihr "nur ein Stilmittel unter vielen", sagt Custodis.

Die Bühne sei der Ort, an dem Taylor Swift ihre Fans am meisten begeistert: "Sie wirft sich auch einfach mal eine Gitarre um. In Musikvideos ist dabei alles sehr genau durchgeplant, aber auch als Entertainerin auf riesigen Live-Bühnen muss sie überzeugen und jedem Fan das Gefühl geben, Teil der Gemeinschaft zu sein. Das ist dann das Ergebnis von harter Arbeit, Disziplin und Teamwork".

Die Begeisterung der Fans für die Pop-Ikone entsteht aus dem harmonischen Zusammenspiel zahlreicher Facetten der Popkultur, die Taylor Swift in ihrer Persönlichkeit vereint: Emotionen, Talent, Fleiß, Professionalität, Nahbarkeit und Ironie. Und sie entsteht aus Taylor Swifts Art, mit den Menschen in ihrem Umfeld umzugehen.

Verwendete Quellen

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